Lesen Sie hier die Laudationen der vergangenen Jahre und lernen Sie unsere Preisträger und Preisträgerinnen kennen.

Laudatio zum Austrian Supply Excellence Award (ASEA) 2024
am 3. Oktober 2024, Thirty-Five, Wien
Prof. Helmut Zsifkovits, Montanuniversität Leoben
 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Ehre, heute Unternehmen und Projekte auszeichnen zu dürfen, die Einkauf und Supply Chain Management in herausragender Weise repräsentieren. Es ist immer ein besonderes Vergnügen, solche Vorbilder vorzustellen, die innovative Ansätze und zukunftsweisende Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben.

In der heutigen Zeit sind innovative Lösungen eng mit digitalen Technologien verknüpft – in all ihren Facetten und Möglichkeiten. Die Digitalisierung ist längst zum unverzichtbaren Treiber des Fortschritts geworden.

Ein herausragendes Beispiel für den technologischen Wandel ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. KI hat das Potenzial, den Einkaufsprozess grundlegend zu transformieren. Von der Bedarfsvorhersage und dem Bestandsmanagement über die Automatisierung von Bestellprozessen, die Lieferantenauswahl und -bewertung bis hin zur Preisverhandlung, Vertragsmanagement und der Optimierung von Lieferketten – Künstliche Intelligenz bietet eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten, die Unternehmen einen entscheidenden Vorsprung verschaffen können.

Diese beeindruckenden Möglichkeiten spiegeln sich auch in den Projekten wider, die in den letzten Wochen für den Austria Supply Excellence & Digital Procurement Award eingereicht wurden. Jedes dieser Projekte ist ein Schritt auf einem Weg, dessen Ziel wir vielleicht noch nicht genau kennen – ein Weg, der durch Innovation und die Bereitschaft zur Veränderung geprägt ist. Es gibt keine „fertigen“ Lösungen für die Supply Chains der Zukunft, und genau darin liegt die Herausforderung und zugleich die Chance.

Die eingereichten Projekte wurden nach strengen Kriterien bewertet:

  • Innovationsgrad: Neben der Innovation wurde auch die Breitenwirkung betrachtet.
  • Durchführung: Projektmanagement, Teambildung und die Rolle des Top-Managements.
  • Kosten-Nutzen: Bewertet wurde der Nutzen in finanzieller, ökologischer sowie sozialer und ethischer Hinsicht – sowohl kurz- als auch langfristig.
  • Präsentation: Struktur, Argumente und Aufbereitung der Projekte.

Die Jury hat auf Basis dieser Kriterien – festgelegt in den Statuten des Awards – eine intensive Diskussion geführt. Es war nicht leicht, aus einer Vielzahl großartiger Projekte die herausragendsten auszuwählen, doch wir haben einstimmig jene Projekte gefunden, die heute den Supply Excellence Award in den einzelnen Kategorien erhalten werden.

Und damit, meine Damen und Herren, kommen wir nun zu den Preisträgern des Austria Supply Excellence Award 2024.

Der erste Preisträger in der Kategorie „Digitalisierung, Einkauf 4.0“ ist ein international ausgerichtetes österreichisches Industrieunternehmen, das landwirtschaftliche Rohstoffe zu industriellen Produkten für die weiterverarbeitende Industrie veredelt.

Es handelt sich um die Agrana Beteiligungs-AG.

Die Geschäftsfelder der Agrana Group umfassen Zucker, Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentrate und Stärkeprodukte aus Mais, Kartoffeln und Weizen für eine Vielzahl von Anwendungen in den unterschiedlichsten Industrien.

Agrana erhält den Supply Excellence Award für das Projekt „Automatisierte Verarbeitung von Auftragsbestätigungen mit Generative AI“. Die Verarbeitung von Auftragsbestätigungen (ABs) ist ein zentraler Schritt im Beschaffungsprozess, um die Übereinstimmung von Bestellungen und Lieferungen sicherzustellen. Da ABs oft in unterschiedlichen Formaten, Sprachen und Layouts vorliegen, war dieser Prozess bisher manuell, zeitaufwändig und anfällig für Fehler.

Traditionell wurden OCR-Lösungen verwendet, die je nach Lieferant angepasst werden mussten. Um diesen Prozess effizienter und kostengünstiger zu gestalten, führte Agrana einen Proof of Concept (POC) durch, um die Möglichkeiten der neuesten Generative AI-Technologie für diese Art von Dokumenten zu testen. Die AI-Lösung reduziert manuelle Arbeit, Fehler und Verzögerungen, was die Effizienz im Einkaufsprozess steigert und die Zufriedenheit sowohl der Einkäufer als auch der Lieferanten erhöht.

Mit der Verwendung von Generative Pre-trained Transformer (GPT) konnte Agrana Daten aus unstrukturierten Dokumenten unabhängig von Lieferanten automatisch extrahieren und verarbeiten. Im POC wurden 398 Dokumente mit einer Erfolgsrate von 95 % verarbeitet. Die Kosten der AI-Technologie lagen bei nur 0,05 € pro Dokument, deutlich niedriger als bei manueller Verarbeitung oder herkömmlichen OCR-Technologien.

Dieses vielversprechende Ergebnis ermöglicht eine Skalierung der Lösung, um weitere Lieferanten, Auftragsbestätigungen und Systeme zu integrieren. Zudem plant Agrana, die Technologie auf andere Einsatzbereiche wie die Erfassung von Lieferscheinen, die Extraktion von Rechnungsdaten oder das Auslesen von Geschäftsbedingungen aus Lieferantendokumenten auszudehnen.

Ebenfalls in der Kategorie „Digitalisierung, Einkauf 4.0“ darf ich ein weiteres Unternehmen ehren. Es handelt sich um die Verbund Services GmbH.

Verbund ist Österreichs führendes Energieunternehmen und zählt zu den größten Wasserkraftstromerzeugern in Europa, mit einem Umsatz von 2,266 Milliarden Euro und rund 4.000 Mitarbeitenden. Seit der Gründung im Jahr 1947, ursprünglich als Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG, liegt der Fokus des Unternehmens auf erneuerbaren Energien, insbesondere der Wasserkraft. Heute erzeugt VERBUND fast 100 % seines Stroms aus klimafreundlichen, erneuerbaren Quellen und ist der größte Stromproduzent des Landes.

Das Unternehmen deckt alle Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft ab – von der Stromerzeugung über den Transport und Handel bis hin zum Vertrieb. Mit rund 5.000 Lieferanten und Bestellungen im Wert von über 400 Millionen Euro jährlich war die Entwicklung eines modernen und effizienten eProcurement-System unabdingbar.

Das eingereichte Projekt „Integrated P2P Process: Seamless End-to-End Management from Order to Invoice“ zielt auf die Einführung standardisierter und weitgehend automatisierter Procure-to-Pay-Prozesse (P2P) im gesamten Konzern ab. Diese Initiative hat die Nutzung und Effizienz der Prozesse erheblich gesteigert, indem eine Best-in-Class eProcurement-Infrastruktur eingeführt wurde, die die End-to-End-Abwicklung von Bestellungen bis Rechnungen optimierte.

Die Erfolge des Projekts im Überblick:

  • Die Anzahl der eProcurement-Bestellungen stieg um über 37 %, was zu einer effizienteren und strukturierteren Abwicklung der Beschaffung führte.
  • Die Nutzerzahl wuchs von 180 auf fast 600, was die hohe Akzeptanz und Verbreitung des Systems im Unternehmen unterstreicht.
  • Durch die Standardisierung und Automatisierung der Einkaufsprozesse konnten die Prozesskosten um 5–8 % gesenkt werden.

Das Projekt überzeugt durch seine klare Darstellung, den nachgewiesenen Nutzen und die Übertragbarkeit auf andere Unternehmen.

Ich darf allen Preisträgern herzlich zu ihren Leistungen gratulieren, mich aber auch bei den weiteren Einreichern bedanken, die hier nicht genannt wurden, die aber ebenfalls beachtliche Leistungen in ihren Projekten erbracht haben. Letztendlich danke ich der Jury für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei der Bewertung der Einreichungen, und Ihnen, meine Damen und Herren, für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

© Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Zsifkovits

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