Laudatio zum Austrian e-Procurement & Supply Innovation Award 2007 von Prof.Dr.-Ing. Michael P. Zeuch

am 4.10.2007 im Haus der Industrie, Wien

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wie Sie natürlich selbst bemerkt haben, hat der BMÖ als flexibler und dynamischer Verband den diesjährigen Award den veränderten Situationen des Supply Chain Managements und Supply Managements angepasst, indem der Begriff der Innovation mit in den Titel aufgenommen. Da Innovationen als die Wachstumstreiber schlechthin angesehen werden, braucht dieser Ansatz wohl nicht weiter begründet zu werden. Aber innovativ sind nicht nur die Produkte und Dienstleistungen, die bei uns im Beschaffungswesen die Objekte unserer Bemühungen darstellen, vielmehr hat man schon seit geraumer Zeit erkannt, dass vor allem die intelligente und innovative Gestaltung der Prozesse wertbestimmend sind – und: dass die bereichs- und unternehmensübergreifende Vernetzung dieser Prozesse immer mehr zur Differenzierung zur Best Practice beiträgt. Für diese Vernetzungsaktivitäten sind aber vor allem die beteiligten Menschen entscheidende Faktoren – Systeme und intelligente hardware sind meist schnell verfügbar – die Kunst besteht darin, diese so einzusetzen, dass eben wieder unternehmensübergreifend Vorteile bei allen Beteiligten generiert werden. Das war der Focus beim diesjährigen Award, der sich natürlich in der Gewichtung der komplexen Kriterien widerspiegelt. Lassen Sie mich die Schwerpunkte dieser Kriterien noch einmal kurz reflektieren:

Systemseitig sind dies vor allem

  • Die Funktionalität und Integration
  • Die Stabilität 
  • Die Standards und Formate

Wertseitig ist hauptsächlich zu nennen

  • Effizienz und Produktivität der Prozesse
  • Die Neuartigkeit der Zusammenarbeit der Partner
  • Die nachgewiesene Erfolgsrelevanz für die beteiligten Unternehmen

Für die Gestaltung der Beziehungen waren von Bedeutung

  • Die Form der Beziehungsstruktur aller Partner
  • Simultaneous & Collaborative engineering
  • Gemeinsam verstandene Unternehmenskultur
  • Win-Win-Konzept

Als vor ca. 10 Jahren zum ersten Male die Philosophie des SCM artikuliert wurde, konnte man mit logischer Überlegung feststellen, dass das eigentlich noch nichts grundlegend Neues war, denn das gab nur dem – wie man ja hierzulande sagt – „Hausverstand“ recht. Aber richtig realisieren kann man SCM bekanntlich erst mit dem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie – die stand damals ja noch in den Kinderschuhen. Jetzt steht diese in einer Perfektion zur Verfügung, wie man sie nicht zu erträumen gewagt hätte. Ich muss zugeben, ich selbst konnte mir zum damaligen Zeitpunkt nie vorstellen, dass es einmal möglich sein werde, in dem Maße technische Informationen, wie sie eben bei technischen Beschaffungsvorgängen notwendig sind, auf elektronischem Wege auszutauschen. Das ist heute state of the art, aber jetzt kommt es darauf an, dass die vielen beteiligten Menschen

  • diese Informationsprozesse leicht verstehen und anwenden können
  • Kommunikationsbereitschaft entwickeln
  • Vertrauen in die Partner entwickeln

Und genau in diesen Aspekten liegt die Herausforderung moderner Lösungen. Der Herausforderung, diese Lösungen zu dokumentieren und sich entsprechend zu präsentieren haben sich auch in diesem Jahr wieder erfreulich viele Unternehmungen und Bewerber gestellt und ich darf daher jetzt zur Verleihung der Preise für die beste Lösung auf der Einkäufer- und Lieferantenseite und für eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit schreiten.

Der Preisträger auf der Einkaufsseite unseres diesjährigen Awards heisst

BRP – Rotax

Es geht hier um die Gestaltung überbetrieblicher Geschäftsprozesse und der damit verbundenen unternehmensübergreifenden Integration der Lieferanten

Anhand einiger fundamentaler Geschäftsprozesse (Angebotsmanagement, Liefereinteilung, Feintuning der Lieferabrufe und Dokumentenmanagement im Dialog mit Lieferanten) wurde hier vor allem die Kommunikation innerhalb komplexer Partnerstrukturen als Werttreiber für die Erfolgsbilanz relevanter KPIs nachgewiesen:

  • Effizienz
  • Zeitgewinn, und damit time-to-market
  • Kosten

Wesentlich dabei ist jedoch, dass sich diese Erfolge auf beiden/vielen Seiten der Prozesspartner einstellen – und: dass die beteiligten Menschen ebenfalls einen Nutzen oder Vorteil empfinden:

  • Transparenz erleichtert jedem Menschen das Geschäft
  • Weniger oder gar keine Doppelarbeit
  • Identifikation mit dem Prozess durch eine Personalisierung des benutzten Portals
  • Hohe Reduzierung des Fehlerpotenzials, daher schnelle Akzeptanz beim Nutzer

Auf der Lieferantenseite wurde auch dieses Jahr wieder ein Beitrag ausgewählt, welcher nicht ausschliesslich für die sell-side von Vorteil ist, sondern genauso für die beschaffende Partei, welche im vorliegenden Fall wohl auch Initiator der Einreichung war:

Es handelt sich um die

Magna Steyr Fahrzeugtechnik,

die – gemeinsam mit inet – logistics – mit einer guten Lösung für die Zulaufsteuerung der gesamten Inbound-Logistik-Prozesse den diesjährigen Award entgegennimmt.

Auch bei diesem Projekt haben Magna Steyr und inet die wesentlichen Prozesse analysiert und entsprechend der VDA-Empfehlung 5004 die Soll-Prozesse definiert, vernünftigerweise unter frühzeitiger Einbindung der vorgesehenen Dienstleister und mit der Option, auch deren Subunternehmer nahtlos in den Prozess einbinden zu können. Damit wird diese Lösung der bereits oben gemachten Forderung gerecht, Betroffene zu Beteiligten zu machen und entsprechend frühzeitig zu kommunizieren. Die Prozesse, um welche es hier ging, waren die Transportplanung, Frachtkostenmanagement, Lademittelmanagement (in der Automobilbranche eine ganz heikle Angelegenheit!) und schliesslich das eigentliche Transportmanagement. Die Vielfalt von individuellen Teilprozessen galt es auf eine intelligente und damit effiziente Standardisierungsebene zu bringen.

Dies gelang auf der Ebene der Transportvarianten:

  • Milkruns
  • Sammelverkehr
  • und Direktverkehr
  • sowie entsprechend vorbereiteter Hubs

Auf diese Weise gelang – und das war Focus dieses awards – eine neue Form der Zusammenarbeit aller Partner entlang der Supply Chain mit folgenden wichtigen Aspekten:

  • Informationssynchronisation mit hohem Durchdringungsgrad
  • Hoher Automatisierungsgrad bei Routineprozessen
  • Zeitnahes Supply Chain –Monitoring und – controlling
  • Abweichungsmanagement
  • Extreme späte update-option der Transportplanung (am Abholtag)

Auch die Erfolgs- und Nutzenbilanz dieser Lösung wurde nicht nur für Magna Steyr, sondern auch für alle Partner in einer umfangreichen Liste nachgewiesen, dass der Jury auch diese Lösung auszeichnungswert erschien.

Lassen Sie mich zum Schluss zur wissenschaftlichen Arbeit kommen, die wir dieses Jahr aus drei ausgezeichneten Einreichungen tatsächlich prämiieren können. Aufgrund der Qualität dieser scheint es mir auch geboten, diese drei Einreichungen namentlich zu nennen:

  • Die Universität Würzburg, vertreten durch Michael Broens und Christoph Glock, „Effizienzsteigerung öffentlicher Vergabeprozess durch den Austausch von Leistungsbeschreibungen zwischen öffentlichen Auftraggebern“
  •  Die Universität Klagenfurt, vertreten durch Thomas Maier (Diplomarbeit), „Investitionsmanagement in der unternehmerischen Praxis – Die Integration qualitativer Aspekte als Notwendigkeit für nachhaltige Investitionsentscheidungen“

Den Wissenschaftspreis des Austrian e-procurement & Supply Innovation Award 2007 erhält

  • Die Johannes Kepler Universität Linz, vertreten durch Simon Jansky und Thomas Fischer (Masterarbeit) „Design und Implementierung eines E-Tender –Systems“

Es würde den Rahmen dieser Laudatio sprengen, wenn ich Ihnen hier die wissenschaftlichen Details der Arbeit aufzeigen würde. Die Analyse der einzelnen Phasen von Ausschreibungsprozessen (sowohl bei der öffentlichen Hand wie auch bei der Privatwirtschaft), die vor allem von der Verwaltung komplexer Ausschreibungsunterlagen geprägt sind, führte zu einem klaren Anforderungsprofil eines sog. E-Tender-Systems, welches über eine Java Webanwendung realisiert wurde. Wesentliche Anforderungen werden darin gesehen, dass auch qualitative Aspekte bei der Vergabe berücksichtigt werden können, und dass die Angebote sehr kurzfristig aktualisiert werden können.

Ich darf daher den Preisträgern von dieser Stelle aus herzlich zu ihren Leistungen gratulieren, mich aber andererseits auch bei denn vielen weiteren Einreichern bedanken, dass sie sich der Mühe unterworfen haben, hier teilzunehmen und damit den Wettbewerb überhaupt zu ermöglichen.

Der Jury gebührt der Dank für einen ausserordentlichen ehrenamtlichen Einsatz.

Ihnen, meine Damen und Herren schliesslich, gebührt der Dank für die geschätzte Aufmerksamkeit!