Laudatio zum Austrian e-Procurement & Supply Innovation Award 2006 von Prof.Dr.-Ing. Michael P. Zeuch

am 5.10.2006 im Haus der Industrie, Wien

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich will Ihnen gestehen: im letzten Jahr hatten wir von seiten des Organisationsteams überlegt, den Award künftig abzusetzen, da e-procurement mittlerweile für viele Unternehmungen so zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dass es da wohl nicht mehr so spektakuläre Lösungen geben wird. Da e-procurement-Lösungen aber auch verstärkt mit dem Begriff des Beziehungsmanagements mit Lieferanten (neudeutsch SRM: Supplier Relationship Management) in Zusammenhang gebracht wird, kamen wir auf die Idee, diesen Begriff in den Namen des Awards zu integrieren und die Kriterien entsprechend neu zu definieren.

Aus diesem Grunde gab es auch in diesem Jahr wieder eine Ausschreibung, der viele Einreicher gefolgt sind und doch wieder sehr interessante Lösungen präsentierten und mit welchen bewiesen ist, dass die Kreativität auch hier noch keine Grenzen kennt und es wäre schade, wenn diese so ganz unbemerkt von der Fachöffentlichkeit bliebe.

In diesem Sinne darf ich Sie auch von meiner Seite wieder ganz herzlich begrüßen, an der Verleihung der Preise für die beste Lösung auf der Einkäufer- und Lieferantenseite beizuwohnen.

Was ist neu an der diesjährigen Ausschreibung?

In meiner letztjährigen Laudatio wollte ich durch ein kleines Experiment zum Ausdruck bringen, was die Haupt – Herausforderung für E-procurement – Lösungen darstellt: die Gestaltung von Schnittstellen, vor allem diejenigen zwischen den externen Geschäftspartnern, die Frage also, wie sich durch den Einsatz moderner Systeme die Beziehungen zwischen diesen Geschäftspartnern optimieren lassen. Aus diesem Grunde haben wir dem Kriterienpaket Beziehungsmanagement hohe Priorität eingeräumt.

Dies ist allerdings generell nur andeutungsweise erkannt worden. Daher will ich diesen Sachverhalt nochmals ganz klar betonen: IT-Systeme sind nur Potenziale, neudeutsch „Enabler“ für vereinfachte Prozesse hinsichtlich Geschwindigkeit, Logik und Transparenz. Sie alleine reichen durch ihre Existenz nicht aus, Beziehungen zwischen Menschen zu verbessern – im Gegenteil, bei manchen Gruppen von Menschen lösen sie sogar eher Sorgen und Ängste aus!

Ein solches System muss also bei aller Funktionalität und Logik für alle Beteiligten erkennbar werden lassen, dass es im Einsatz zu Nutzeneffekten auf beiden Seiten kommt:

  • Man spart Zeit und Geld
  • Man macht weniger Fehler und reduziert das Risiko
  • Man profitiert vom know-how des Partners
  • Man kennt und achtet die gegenseitigen Wertvorstellungen
  • Man leistet mehr im Team

Es war also ein Anliegen der Jury, solche Lösungen zu honorieren, die derartige Gestaltungsaspekte berücksichtigt haben. Vielleicht hilft dieser Hinweis auch zukünftigen Einreichern.

Weiter haben wir solche Einreichungen ganz genau überprüft, bei denen vor allem die klein- und mittelständische Industrie in gleicher Weise integriert werden kann, denn Sie wissen alle, dass die kleinen lokalen Netzwerke, wo man sich kennt und sehr intensiv zusammenarbeiten kann und die hinsichtlich der Transportlogistik ganz eindeutige Vorteile haben, im Zuge des Global Sourcing allzu oft vernachlässigt worden sind.

Lassen Sie mich nun endlich zur eigentlichen Laudatio für die beiden Preisträger kommen

Der Preisträger auf der Einkaufsseite unseres diesjährigen Awards heisst

AXA Service AG

Die bei AXA Deutschland eingeführte e-procurement Lösung basiert auf einer AXA-weltweit gültigen Konzeption. Durch eine sehr saubere und konsequente Vorarbeit  eines Procurement Service Centers wurden mit prozessualen Festlegungen (Einkaufsrichtlinie) die Voraussetzungen für einen unternehmensweiten roll-out geschaffen, um nun mit einem Paket neuer Ariba-Anwendungen in Verbindung mit lokalen ERP Systemen (SAP)

  • einheitliche Prozesse für alle Warengruppen, Standorte und Mitarbeiter zu realisieren
  • die Verantwortlichkeiten und Kontierungsinformationen klar zu definieren
  • durch verursachungsgerechte Kostenbelastung Allgemein- und Sammelbudgets auflösen zu können
  • Rahmenverträge besser zu nutzen
  • Kostenvorteile für den Konzern zu realisieren
  • und schliesslich: mehr strategische Arbeit statt operativer Tätigkeiten für die Einkäufer zu ermöglichen.

Da die Lösung deutlich über die üblichen Katalogwaren hinaus Einsatzmöglichkeiten, Funktionalitäten (z.B. Freitextbestellungen) und Kommunikationsplattformen bereitstellt, scheint der Aspekt des Beziehungsmanagements wie oben dargestellt gut erfüllt zu sein, obwohl auch hier beim Preisträger sicher noch Verbesserungspotenzial besteht – es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre.

Auf der Lieferantenseite wurde auch dieses Jahr wieder ein Beitrag ausgewählt, welcher nicht ausschliesslich für die sell-side von Vorteil ist, sondern genauso für die beschaffende Partei. Bei der Gestaltung dieser Lösung war aber der wichtige Gedanke der, alle Lieferanten einer öffentlichen Beschaffungsorganisation in einem gemeinsamen Portal zu vereinen. Daher heißt dieses Projekt auch:

Der e-shop der Republik und wurde von der Bundesbeschaffung GmbH eingereicht.

Hauptziel des Projektes waren

  • Prozessoptimierungen hinsichtlich Kosten und Zeit,
  • hohe Zufriedenheit der Nutzer,
  • Revisionssicherheit durch Transparenz – und für uns als Jury im Sinne der oben gemachten Anmerkungen ganz wichtig –
  • die, wie BBG es nennt „KMU-Kompatibilität“.

Erreicht wurden die Ziele durch eine Fülle zweckmäßiger Funktionalitäten, hohe Systemstabilität trotz hoher Flexibilität im Einsatz mit anderen Systemen, und schliesslich die vielseitige Ankoppelungsmöglichkeiten anderer Kunden- und Lieferantensysteme, wodurch sicherlich eine gute Akzeptanz erzielt worden ist.

Was bei diesem Projekt – sicherlich branchenbegründet – anders verstanden worden ist als von der Jury gedacht, ist der know-how – Transfer vom Lieferanten zum Kunden und vice versa und das Thema Simultaneous engineering und Collaboration. Dieser Aspekt hat sicherlich größere Bedeutung in der produzierenden Industrie.

Hervorhebenswert wäre also bei diesem Preisträger noch der Erfolg hinsichtlich des WIN-WIN-Prinzips. Eine Fülle von Vorteilen nicht nur zwischen zwei Partnern, sondern für die

  • BBG
  • die Benutzer
  • die Verwaltung
  • und die Lieferanten

wird plausibel nachgewiesen und wurde offensichtlich auch schon von der Wirtschaftsuniversität bzgl. der Kosteneinsparungen nachgerechnet.

Ich darf daher den Preisträgern von dieser Stelle aus herzlich zu ihren Leistungen gratulieren, mich aber andererseits auch bei denn vielen weiteren Einreichern bedanken, dass sie sich der Mühe unterworfen haben, hier teilzunehmen und damit den Wettbewerb überhaupt zu ermöglichen.

Der Jury gebührt der Dank für einen ausserordentlichen ehrenamtlichen Einsatz.

Ihnen, meine Damen und Herren schliesslich, gebührt der Dank für die geschätzte Aufmerksamkeit!