Laudatio zum

Austrian Supply Excellence Award (ASEA) 2016

am 29.09.2016 im Haus der Industrie, Wien

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Der Austrian Supply Excellence Award würdigt Business Excellence entlang der Wertschöpfungskette.

Gewürdigt werden Lösungen, die zu einer am Markt herausragenden Position, Wettbewerbsverbesserung und nachhaltigem Nutzen für das Unternehmen beitragen.

Diese können technischer, betriebswirtschaftlicher, organisatorischer Natur sein oder die IT-Vernetzung in besonderer Weise nutzen.

In den letzten Jahren sind es die Technologietrends, die die Wertschöpfungsketten prägen. Wir mussten viele neue Worte lernen, Smart Services, Cyber-Physical Systems, Augmented Reality, Tracking & Tracing und 3D Printing. Damit wird ein deutliches Signal gesetzt, wohin sich der Einkauf entwickelt. Industrie 4.0 ist gekennzeichnet durch vernetzte Maschinen und intelligente Produkte. Produktionsentscheidungen werden immer schneller an die aktuelle Nachfrage angepasst, daher muss der Einkauf kurzfristig reagieren. Zulieferer müssen künftig noch enger in die Beschaffungssysteme eingebunden werden. Die ‚Industrie 4.0‘ zieht den ‚Einkauf 4.0‘ nach sich, sagt PwC.[1]

Der Supply Chain Excellence Award trägt dem Rechnung.

Neben den bereits in den vergangenen Jahren ausgezeichneten Kategorien Einkauf & Supply Chain Management, Organisations- und Lieferantenmanagement, CSR & Nachhaltigkeit, Lieferantenstrategien und e-Procurement sind seit dem letzten Jahr die Kategorien innovative Produktionstechnologien sowie Industrie 4.0/Einkauf 4.0 hinzugekommen.  

Die Einreichungen zum Austrian Supply Excellence Award sind jedes Jahr von neuem eine Reise in die neue Welt des Einkaufs, in eine Welt der Ideen und Initiativen.

Damit komme ich zu den Preisträgern des heutigen Abends.

Im Gegensatz zur Fußball-Europameisterschaft und zur Bundespräsidentenwahl, bei denen es immer nur einen Sieger geben kann, sind beim Supply Excellence und Einkauf 4.0 Award alle Einreicher Gewinner. Sie alle haben Bemerkenswertes geleistet, in der strategischen Ausrichtung, in der Organisation, im Einsatz der Technologie, in der Gestaltung des Informationsflusses.

Trotzdem musste die Jury Entscheidungen treffen, die noch etwas besseren aus den guten Lösungen herausfiltern.


In der Kategorie Supply Excellence gibt es zwei Preisträger.

In großen Unternehmen besteht eine spezielle Herausforderung darin, heterogene IT-Systeme, Applikationen und Datenstrukturen zu harmonisieren oder aber Brücken zwischen den Systemen zu schaffen, Medienbrüche zu vermeiden, die Qualität und Konsistenz der Daten zu sichern. Nur so können durchgängige Prozesse geschaffen und Synergien genutzt werden.

Die Herausforderungen: in einem Konzern mit weltweit 500 Unternehmen gibt es 26 SAP-Systeme, 1500 Warengruppen, und 4 divisionale Einkaufsorganisationen, die sich in 9 Sprachen unterhalten. Transparenz gab es in der Vergangenheit nur auf Einzelgesellschaftsebene.

Es galt ein harmonisiertes Warengruppensystem zu entwickeln und konzernweit auszurollen. Unter anderem war dafür die Schulung von mehr als 300 Einkäufern in 36 Ländern erforderlich.

voestalpine ist ein in seinen Geschäftsbereichen weltweit führender Technologie- und Industriegüterkonzern mit kombinierter Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz. Mit seinen qualitativ hochwertigen Produkt- und Systemlösungen aus Stahl und anderen Metallen zählt er zu den führenden Partnern der Automobil- und Hausgeräteindustrie sowie der Öl- und Gasindustrie.

Die Unternehmensgruppe besteht aus 4 Divisionen (Steel Division, Special Steel Division, Metal Engineering Division, Metal Forming Division).

Der Konzern erzielte im Geschäftsjahr 2015/16 bei einem Umsatz von 11,1 Mrd. Euro ein operatives Ergebnis (EBITDA) von 1,6 Mrd. Euro und beschäftigte weltweit rund 48.500 Mitarbeiter.

Aufgrund unterschiedlicher, existierender Warengruppensysteme in den Gesellschaften und um Erfahrungen mit diesen weiterhin nutzen zu können und die Akzeptanz des neuen Warengruppensystems abzusichern wurde eine Warengruppenstruktur gewählt die existierende berücksichtigt und weiterentwickelt. Aus diesen Gründen wurde zum derzeitigen Zeitpunkt die Entscheidung noch nicht für ein internationales, standardisiertes Warengruppensystem wie z.B. E-Class getroffen.

Die Warengruppen wurden von 1.650 auf 300 reduziert, was einer Reduktion um 82 % entspricht. Somit konnte auch der Wartungsaufwand weltweit deutlich reduziert werden.

Um diese Ordnung auch nach den Go-Lives der einzelnen Gesellschaften aufrecht zu erhalten, wurde die konzernweite Master Data Governance Organisation ins Leben gerufen. In deren Aufgabenbereich fällt auch die laufende Anpassung dieser Struktur an die sich verändernden Bedürfnisse der Geschäftsprozesse.

Die Umsetzung erfolgte mit Hilfe einer internationalen Projektorganisation im Sinne eines Roll Out Verfahrens. In einer Pilotphase wurde zuerst die Durchsetzbarkeit und Umsetzbarkeit überprüft. Die konsequente Projektsteuerung und die hohe Teammotivation, unterstützt durch höchste Management Awareness, führte zu einer 80%igen Verbreitung des neuen Warengruppensystems im Konzern innerhalb von 18 Monaten.

Die konzernalen Spends werden in einem Data Warehouse, dem Procurement Cube genannt „ProCube“, konsolidiert und sind somit vergleichbar und transparent. Mit ProCube wird den Lead Buyern und EinkäuferInnen Konzerns ein Werkzeug für die tägliche Arbeit zur Verfügung gestellt.

Der Projektnutzen ist sowohl in der Unternehmenskultur, strategisch, taktisch und operativ spürbar.

Der monetäre Benefit ist ein Vielfaches des Projektaufwandes und entspricht einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr.

A1 Telekom Austria AG

A1 Telekom Austria (Markenauftritt: A1) ist mit mehr als 5,4 Millionen Mobilfunk- und 2,3 Millionen Festnetz-Kunden der führende Kommunikationsanbieter in Österreich und betreibt eigene Netze für mobile sowie standortgebundene Telefonie. Das Unternehmen ist eine 100 %-Tochter der Telekom Austria Group, die in insgesamt acht Ländern Zentral- und Osteuropas aktiv ist. Das Unternehmen beschäftigt in Österreich 8.600 Mitarbeiter.

A1 Telekom Austria bietet konvergente Kommunikationslösungen. Das Produktportfolio umfasst Sprachtelefonie, Internetzugang, digitales Kabelfernsehen, Daten- und IT-Lösungen, Mehrwertdienste, Wholesale-Services und mobile Business- und Payment-Lösungen. Am Markt operiert die A1 Telekom Austria unter den Marken A1 (gesamtes Basisangebot), bob (No-Frills-Mobilfunk) Yesss! (Mobilfunk) und Red Bull MOBILE (Kooperation mit Red Bull).

Sourcing4Success – Procurement Transformation: durch den Aufbau eines neuen „Operation Models“ im Bereich Einkauf konnte ein vorhersehbarer und nachhaltiger Einsparungsfluss für das Unternehmen sichergestellt werden. Die Einkaufsorganisation wurde dabei in Hinblick auf die Organisation, Prozesse und Kompetenzen neu aufgestellt. Zu den Erfolgsfaktoren zählen dabei neben frühzeitiger Einbindung in Projekte, Nutzung von Einkaufshebeln die über Verhandlungen hinausgehen, Vorabplanung von Einsparungen insbesondere eine enge und gute Kooperation mit Fachbereichen und Controlling. Somit kann gemeinsam die Erreichung der jährlichen gesetzten, ambitionierten Ziele sichergestellt werden.


Kategorie IT & eProcurement

Zumtobel Group AG

Die Zumtobel Group AG mit Hauptsitz in Dornbirn (Österreich) ist mit Umsatzerlösen von ca. 1.356 Millionen € im vergangenen Geschäftsjahr1 und über 7.000 Mitarbeitern weltweit Marktführer in der Entwicklung, Herstellung und im Vertrieb von innovativen Lichtlösungen und Lichtkomponenten. Die Unternehmensgruppe vereint fünf Marken (Zumtobel, Thorn, Tridonic, Reiss sowie acdc) und bietet Kunden in aller Welt ein umfassendes innovatives Produkt- und Serviceportfolio. Die Zumtobel Group AG agiert unter dem Leitmotiv, Lichterlebnisse zu schaffen, die über Beleuchtung hinausgehen.

Das Procure-to-Order-Projekt war eines der wesentlichen und intensivsten Change-Projekte der Zumtobel Group AG der vergangenen Jahre mit höchsten Anforderungen an Management Skills, Koordination, Kommunikation und Durchsetzungsvermögen. Stand heute: Implementierung einer konzernweiten, länderübergreifenden P2O Lösung zur Steigerung von Transparenz und Self-Service Grad – unter Berücksichtigung der Anforderungen/Bedürfnisse eigener Mitarbeiter, externer Dienstleister und Lieferanten. Der Einkauf wurde zu einer service-orientierten Organisation weiterentwickelt.

Die E-Procurement-Landschaft der Zumtobel Group AG war bis 2014 rudimentär aufgestellt. Ursprünglich wurden BANFen in einem Excel File an den Einkauf übermittelt. Dies geschah per E-Mail oder durch die interne Hauspost.

Daraus ergaben sich nachstehende Nachteile:

· Verzögerungen aufgrund des Transportweges

· Erneute Eingabe von Daten

· Interpretation von handschriftlichen BANFen aufgrund von Unleserlichkeit

Eine Vielzahl an Bedarfen wurde nicht über den offiziellen Prozess beschafft, sondern an Prozessen und Systemen vorbei.

Im Rahmen der Mission Global Purchasing wurde ein Projekt zum Aufbau einer marken- und länderübergreifenden E-Procurement-Plattform durchgeführt, als Basis und Eckpfeiler für die Weiterentwicklung der NPR-Einkaufsorganisation für die Zumtobel Group.

Mit der neuen E-Procurement Plattform wickelt fortan die gesamte Markenwelt der Zumtobel Group AG ihre Bestellungen von indirektem Material – katalogbasiert und anfragebasiert – über eine zentrale Procure-to-Order- Plattform ab. Basierend auf der Nutzung neuer Beschaffungskanäle, bestehend aus angebundenen Katalog- und Webshop-Lieferanten, wurde ein breiteres, vorverhandeltes Kernsortiment aufgebaut. Dies bildet die Grundlage für den neuen Guided-Self-Service Ansatz, über den heute ein hoher Prozentsatz der Bestellungen unter 1.000 € abgewickelt werden.

Der NPR-Einkauf konnte in Folge dieser Standardisierung und Automatisierung der Beschaffungsprozess gepaart mit neuen weltweit geltenden und variabel einsetzbaren Genehmigungsworkflows seine Tätigkeitsschwerpunkte auf strategischer Ebene ausweiten und die Rolle als aktiver Treiber, Service-Dienstleister und strategischer Consultant der eigenen internen Kunden noch zielgerichteter und besser wahrnehmen. Das folgende Kapitel beschreibt die konkreten Projekterfolge.

Im Dezember 2015 lag die E-Procurement-Quote bereits bei 85% und konnte im Jahr 2016 bereits auf einen Mittelwert von über 90% gesteigert werden.

Neben der Reduktion des Maverick Buying wurden eine Reihe weiterer Zielsetzungen erreicht. Durch die neue Lösungslandschaft und die konsequente Nutzung hat der NPR

Einkauf signifikant an Transparenz gewonnen. Viele Prozesse, die bis Dato systembedingt in einer Black-Box stattfanden, wurden durch das Projekt sichtbar. In Folge dessen wurden neue Saving-Potenziale erkennbar und strukturell, suboptimale Prozesse deutlich.


Zuletzt, die Kategorie Einkauf 4.0 / Industrie 4.0:

Die Magna Steyr Fahrzeugtechnik (Magna Steyr) fertigt im Auftrag unterschiedlicher internationaler Automobilkonzerte Fahrzeuge. In Zusammenhang mit dieser Produktion organisieren wir die Supply Chain, wickeln die Transporte über verschiedenste Transportarten ab und setzen hierbei auf eine diversifizierte Transportdienstleisterstruktur. Um die Leistung der Transportdienstleister zu messen bzw. die Entwicklung dieser Transportdienstleister voranzutreiben, wurde bereits seit Jahren ein System einer Transportdienstleisterbewertung genutzt. Durch ständige ändernde Prozesse konnte dieses System jedoch die gestellten Anforderungen nur zum Teil abdecken.

Implementierung einer vollintegrierten Transportdienstleisterbewertung inkl. einer vollständigen Überwachung der Liefertreue, welche die Smart Factory bei Magna Steyr unterstützt. Dieses Projekt war Teil der Value Sourcing Initiative und ermöglicht nun selbststeuernde Prozesse (Industrie 4.0)

Im Zusammenspiel mit den bestehenden SCM-Systemen deckt diese realisierte integrierte Transportdienstleisterbewertung nun durchgängig den gesamten Transportwertschöpfungsprozess vom Frachteinkauf bis zur Abrechnung ab. Alle KPIs basieren auf Basis von Hardfacts bzw. die Transportdienstleister haben jederzeit die Möglichkeit im Wege von Reklamationen (Basis der KPIs) auch angelastete Abweichungen gerechtfertigt ablehnen und somit hier positiv bewertet zu werden (= große Akzeptanz durch die Transportdienstleister). Das System setzt auf bestehenden Prozessen auf (z.B. Reklamationen) und verursacht somit keinen zusätzlichen Ressourceneinsatz.

Wichtigsten Verbesserungen:

  • 63 % Verbesserung der Liefertreue im Stückgutverkehr (TAL)
  • 25% Verbesserung bei den Verfrühungen/Verspätungen bei Ankunft LKWs (TAL)
  • 23 % Erhöhung des Einsatzes von schadstoffärmeren LKWs (Euronormen) im Regelverkehr
  • 7 % KPI Gesamtverbesserung seit Implementierung der TDL Bewertung
  • Big Data Management als Basis für langfristige Prozess- und Performance-steigerung
  • Sofortige Ursachenanalyse von „Schwachpunkte“ bei der Transportdienstleistung
  • Große Akzeptanz durch die TDL und Wettbewerb sich gegenüber den Mitbewerbern zu verbessern
  • TDL-Bewertung als Teil der „Smart Factory“ Initiative (Supply Chain Analytics) von Magna Steyr (Industrie 4.0)

ROI: Die geplante Amortisationszeit der Investitionen von unter einem Jahr wurde durch die nachhaltige Verringerung der Prozesskosten unterschritten.


Für herausragende Studien-, Master-, Doktorats- und Forschungsarbeiten in einkaufsrelevanten Kategorien wird der Austrian Supply Excellence – Wissenschafts-Award vergeben.

In der Kategorie „Beste wissenschaftliche Arbeit“ wurde in diesem Jahr die  Masterarbeit von Herrn Daniel Jung ein Beitrag ausgezeichnet, die sich dem Thema „Implementierung durchgängiger Supply Chain Konzepte in der Stahlindustrie zur Verbesserung von Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit“ auseinandersetzt.

Die ausgezeichnete Arbeit entstand im Rahmen des Masterprogramms, das gemeinsam vom BMÖ, der KMU Akademie und der Middlesex University angeboten wird.  Gutachter war Prof. Dr. Claus Gerberich. Eine theoretisch gut fundierte Arbeit von hoher praktischer Relevanz.

Ich darf allen Preisträgern herzlich zu ihren Leistungen gratulieren, mich aber auch bei den weiteren Einreichern bedanken, die hier nicht genannt wurden, die aber ebenfalls beachtliche Leistungen in ihren Projekten erbracht haben.

Letztendlich danke ich der Jury für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei der Bewertung der Einreichungen, und Ihnen, meine Damen und Herren schließlich, für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

© Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Zsifkovits

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Einkauf und Logistik in Österreich
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