Laudatio zum

Austrian Supply Excellence Award (ASEA) 2020/21

am 7. Oktober 2021 im Haus der Industrie, Wien

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

kommen wir zum Preisträger des heutigen Abends, dem Gewinner des Austria Supply Excellence Award 2021:
Ein weltweiter Automobilzulieferer mit 344 Produktionsstandorten und 93 Produktentwicklungs-, Engineering- und Vertriebszentren in 27 Ländern. Das Unternehmen beschäftigt über 157.000 Mitarbeiter. Jahrzehntelange Erfahrung, Gesamtfahrzeugkompetenz und die Fähigkeit, aufkommende Trends zu erkennen, machen es zum Branchenführer in den vier Schlüsselbereichen, die die Automobilindustrie in den kommenden Jahren prägen werden: Leichtbau, autonomes Fahren, Elektrifizierung und Smart Mobility. Das Unternehmen fertigt eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte, von Sitzen bis hin zu Antriebssträngen, und ist der einzige Automobilzulieferer, der Gesamtfahrzeuge baut.


Magna Steyr Fahrzeugtechnik AG & CO KG
Der Unternehmensbereich Magna Steyr ist Teil von Magna International und ein globales Unternehmen mit ca. 13.700 Mitarbeitern an mehr als 30 Standorten auf vier Kontinenten, mit mehr als 120-jähriger Erfahrung im Bereich Automobilentwicklung und -produktion.


Das Portfolio von Magna Steyr umfasst neben Engineering Services (Schlüsselfertige Lösungen von Systemen und Modulen bis hin zum Gesamtfahrzeug) Energy Storage Systems sowie die Gesamtfahrzeugproduktion. In den letzten 20 Jahren über 40 Gesamtfahrzeugentwicklungen, 3,7 Millionen Fahrzeuge verteilt auf 30 verschiedene Modelle.


“Supply Chain Analytics – Digitale Gesamtkostenoptimierung der Versorgungskette”
ist ein Projekt im Rahmen der Initiative Smart Factory zur Optimierung der Supply Chain von Magna in Zusammenarbeit mit dem Know-Center Graz.


Die Aufgaben des Supply Chain Managements sind bei Magna am Standort Graz sehr weit gefasst und durch hohe Komplexität gekennzeichnet. Die Vielfalt und die gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Handlungsfelder im Einkauf, in der Disposition, im Transport und in der Materialwirtschaft stellen im betrieblichen Alltag eine große Herausforderung dar.

Dies liegt daran, dass die Performance der Fachbereiche an Zielen gemessen wird, die in Bezug auf den Prozess des Supply Chain Managements teilweise in Konkurrenz zueinanderstehen:

  • Aus Sicht des Einkaufs bedeuten große Bestellmengen geringere Materialkosten
  • Die Materialdisposition ist wiederum für die Einhaltung niedriger Lagerbestände bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit verantwortlich.
  • Die Transportkosten je Teileposition sind bei größeren Liefermengen und einer höheren LKW-Auslastung jedoch geringer.

Diese konkurrierenden Ziele der einzelnen Fachbereiche müssen daher auf der Grundlage einer Gesamtkostenbetrachtung aufeinander abgestimmt werden, um ein ganzheitliches Optimum zu erreichen. Für das Gesamtprojekt leiten sich zur Sicherstellung kostenoptimierter Versorgungsprozesse daher folgende Zielsetzungen im Detail ab:

  • Darstellung des gesamten Versorgungsprozesses im Supply Chain Management
  • Entwicklung einer Berechnungslogik zur Optimierung konkurrierender Zielsetzungen
  • Visualisierung der Ergebnisse und Eingangsgrößen in einem Dashboard
  • Unterstützung des Entscheidungsprozesses mit Zahlen, Daten und Fakten

Die erarbeitete Berechnungslogik beruht auf einer ganzheitlichen Darstellung des Versorgungsprozesses, beginnend mit der Bestellung bis hin zur Bereitstellung des Materials für die anschließende Versorgung der Produktion. Für die Optimierung der Gesamtkosten kommt eine detaillierte Prozesskostenrechnung zur Anwendung. Hierbei liegt der Fokus nicht auf derBetrachtung eines Teils, sondern aller Teile eines Lieferwerks (Teilebündel) und deren gemeinsamer Anlieferfrequenz als zu optimierende Größe. Je Teileposition werden mehr als 100 Datenattribute genutzt, um zu aussagekräftigen, belastbaren Ergebnissen zu gelangen. Aktuell sind rund 1.000 Lieferwerke mit mehr als 12.000 Teilepositionen im Modell abgebildet.

Nach Betrachtung des gesamten Teilespektrums liegt der inhaltliche Fokus des Projekts auf jenen Teilen, die bezogen auf ihren Wert zum überwiegenden Teil als C-Teile klassifiziert sind und deren Anlieferung im Stückgutverkehr erfolgt. Erste Analysen zeigen ein hohes Kostenreduktionspotenzial in diesem Bereich.


Die erarbeitete Berechnungslogik beruht auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Versorgungsprozesses, beginnend mit der Bestellung bis hin zur Bereitstellung des Materials für die anschließende Versorgung der Produktion. Die Berechnungslogik ist eine Eigenentwicklung, die inhaltlich seitens Magna Steyr definiert und durch das Know-Center Graz programmiertechnisch und mathematisch unterstützt wurde.
Aufbauend auf den Losgrößenüberlegungen von Harris bzw. Andler wurde zu Beginn des Projekts die Optimierungslogik von Gudehus herangezogen, welche die Einflussgrößen der Logistik besser würdigt und in Prozesskosten darstellt. Dies erfolgt allerdings nur für jeweils einen Teil und ohne Wechselwirkungen zu anderen Teilepositionen.
Seitens Magna Steyr und des Know-Centers wurden die Gudehus-Überlegungen um die Algorithmen für die Kostenberechnung der Ladungsträger (Beschaffungs- und Mietmodell bzw. Einwegverpackungen) und um die „Lieferwerksberechnung“ ergänzt. Mit dieser Detaillierung und Erweiterung wird die gesamte Optimierungsberechnung für die betriebliche Praxis anwendbar, da nun alle Teilebündel eines Lieferwerks gemeinsam auf Basis einer Gesamtkostenbetrachtung optimiert werden können – so wie sie auch gemeinsam transportiert werden.


Die Analysen haben gezeigt, dass die Lieferfrequenz die zentrale Steuergröße in der Optimierung darstellt. Wird das Transportintervall für ausgewählte Lieferwerke beispielsweise auf drei oder vier Wochen ausgedehnt, steigen zwar die Lagerkosten und das gebundene Kapital, aber die Gesamtkosten können trotzdem sinken.

Auf Basis der ermittelten Kostenpotenziale wurden Versorgungsprozesse von 350 Lieferwerken optimiert und im ERP-System neu parametriert. Hierbei wurden für diese 350 Lieferwerke signifikante Kostenreduktionen umsetzen, die bezogen auf das gesamte Stückgutvolumen rund 7 % ergaben.
Die Kostenreduktionen resultieren vor allem aus Kleinlieferungen, bei denen in der Ausgangssituation im Stückgutverkehr als Tarif die Mindestpauschale schlagend wurde. Bei Erhöhung des Lieferintervalls führen die Skaleneffekte zu wesentlich reduzierten optimalen Prozesskosten.


Durch das Projekt werden nicht nur die bereichsübergreifenden Versorgungskosten reduziert, sondern auch damit einhergehend positive Klimaeffekte in Form von CO2-Einsparungen erzielt. Durch das reduzierte Transportaufkommen (Verringerung der Km-Leistung) wurden CO2-Einsparungen von rd. 300 to pro Jahr erzielt.
Der Einsatz der Optimierungsapplikation erfolgt monatlich oder bei Stückzahländerungen. Parallel dazu ist die Ausrollung der Applikation auf weitere Produktlinien von Magna bereits angelaufen, um sukzessive zu skalieren und zu optimieren. Auch hier konnten bereits Kostenreduktionen umgesetzt werden.
Der ganzheitliche Ansatz der Total Cost of Ownership-Betrachtung fördert das bereichsübergreifende und vernetzte Denken und Handeln im Supply Chain Prozess. Der TCO-Ansatz wurde in der Ablauforganisation und im Magna Produktionssystem verankert.

Ich darf dem Preisträger herzlich zu ihren Leistungen gratulieren, mich aber auch bei den weiteren Einreichern bedanken, die hier nicht genannt wurden, die aber ebenfalls beachtliche Leistungen in ihren Projekten erbracht haben. Letztendlich danke ich der Jury für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei der Bewertung der Einreichungen, und Ihnen, meine Damen und Herren, für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

© Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Zsifkovits

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