Beitrag von Frau Mag. Sturm, ÖBB HOLDING AG

Neuerungen rund um Europas „Lieferkettengesetz“

Die Überraschung war groß, als im Februar diesen Jahres nicht die nötige Mehrheit für den Beschluss des europäischen „Lieferkettengesetzes“, oder genauer, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD, CS3D), zustande kam. Bis dahin hatte dieser beinahe schon als Formalie gegolten, denn das Dokument war das Ergebnis einer langen Diskussion. Doch mit diesem Rückschlag hielt man sich nicht lange auf, der Entwurf wurde überarbeitet und am 24. April soll er erneut zur Abstimmung gelangen. Was steht also im neuen Entwurf?

Betroffene Unternehmen

Mit der CSDDD gibt es zukünftig klarere Vorgaben, wie Unternehmen ihre Verantwortung in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Wertschöpfungskette wahrnehmen sollen. Dafür müssen Unternehmen geeignete Strategien und Policies, Risikomanagementsysteme und Prozesse einführen. Große Zugeständnisse gab es bei der Frage, welche Unternehmen mit der Verordnung adressiert werden sollen. Mittlerweile sind nur jene Unternehmen und Unternehmensgruppen betroffen, die durchschnittlich mehr als 1.000 Vollzeitäquivalente beschäftigen und konsolidiert einen weltweiten Umsatz von über 450 Millionen Euro erwirtschaften. Bei Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, fällt die Anforderung an die Anzahl der Mitarbeitenden weg. Für Unternehmen mit einem Franchising- oder Lizenzansatz gelten gesonderte Schwellenwerte. Die Zulieferer der betroffenen Unternehmen sollten sich dennoch darauf einstellen, bestimmte Informationen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen, denn von den Berichtspflichten sind sie indirekt betroffen. Der Zeitpunkt, ab wann die Unternehmen die Anforderungen der Verordnung umsetzen müssen, wurde außerdem verlängert. Unternehmen mit mehr als 5.000 Vollzeitäquivalenten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro sollen bereits für 2028 berichten, die anderen ein Jahr später. Erleichterungen gab es auch beim Thema des Dekarbonisierungsplanes. Unternehmen, die diesen bereits in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Basis der ESRS (European Sustainability Reporting Standards) abdecken, müssen keine weiteren Maßnahmen setzen.

Verpflichtungen für Unternehmen

Im Laufe der Diskussionen wurde auch verändert, welche Aktivitäten von der Verordnung umfasst werden. Mittlerweile handelt es sich um die Chains of Activity, was man als Wertschöpfungskette des Kerngeschäftes bezeichnen könnte. Ausgenommen sind allerdings die Nutzungs- und Entsorgungsphase. Die Basis für die Maßnahmenentwicklung stellt eine umfangreiche Risikoanalyse für Menschenrechte und Umweltschutz dar. Durch diese Risikoanalyse können Prioritäten dort gesetzt werden, wo Risiken schwer und wahrscheinlich sind. Entstehen Schäden, müssen diese verhindert, behoben beziehungsweise abgemildert werden. Kann dies nicht sofort geschehen, müssen Unternehmen einen nachvollziehbaren Zeitplan ausarbeiten. Schlimmstenfalls müssen Lieferantenbeziehungen abgebrochen werden. Missverständlich ist für viele des umgangssprachlich genutzten Titels „Lieferkettengesetz“ Denn in Wahrheit umfasst die Verordnung auch die eigenen Aktivitäten und die von etwaigen Tochterunternehmen.

Umfangreiche Konsequenzen

Die Konsequenzen von Verstößen bleiben klar. Unternehmen sind schadensersatzpflichtig, darüber hinaus können auch maximale Strafen von mindestens 5% des globalen Nettoumsatzes ausgerufen werden. Der Unternehmensname wird außerdem der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch das viel diskutierte Klagerecht von Nichtregierungsorganisationen ist unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin vorgesehen. Anzumerken ist allerdings, dass die Unternehmen zwar dazu verpflichtet sind, tätig zu werden („obligation of means“) und dies nachzuweise, es aber keine Erfolgsverpflichtung gibt (keine „obligation of results“). 

Bei der CSDDD handelt es sich um eine Verordnung, das bedeutet, das diese in nationale Gesetze überführt werden müsste. Bleibt zu hoffen, dass die mögliche Umsetzung unter den Mitgliedsländern weitestgehend harmonisch erfolgt, um die Rahmenbedingungen für über EU-weit tätige Unternehmen möglichst klar zu halten.

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